Spaeth fliegt
Älter als 7 Tage  

Das neue Flaggschiff der Schweiz geht auf Langstrecke

ZÜRICH - Die Lufthansa-Tochter Swiss ist die Vorzeige-Airline der Kranich-Gruppe mit den höchsten Gewinnen und einer eigenen, schweizerischen Identität. Doch die Langstrecken-Flotte, zu der neben 14 modernen A330-300 noch 15 ältere Airbus A340-300 gehören, muss teilweise erneuert werden.

Swiss hat daher neun Boeing 777-300ER bestellt, vor allem weil sie schnell und recht günstig verfügbar waren. Vor allem, weil ja bald schon das nächste Modell kommt, die neue 777-9, von der auch die Lufthansa 34 bestellt hat, die ab 2020 eintreffen sollen.

Swiss Boeing 777-300ER
Swiss Boeing 777-300ER, © Andreas Spaeth

Ende Januar wurde die erste 777 an Swiss geliefert, dazu versammelten sich Tausende von Schaulustigen am Flughafen Zürich, in der Schweiz erregt eine Boeing 777 mit der Landesfahne am Heck noch wirklich Aufsehen. Insgesamt sechs 777 werden in diesem Jahr zur Flotte stoßen, die restlichen drei 2017, möglicherweise folgen weitere.

Zunächst wurde zum Pilotentraining als erstes Langstreckenziel New York-JFK damit angeflogen und ab Ende März stattdessen Montréal, regulär fliegt Swiss mit der 777 ab Juni nach Los Angeles, gefolgt von Bangkok, San Francisco, Sao Paulo und Tel Aviv.

In der ersten Phase der Einführung der 777 bei Swiss geht es zunächst darum, genügend Piloten genügend Flugstunden, Starts und Landungen auf der 777 zu verschaffen. Nach der Ablieferung gab Faces of Swisss zunächst tageweise Trainingssessions in Palma de Mallorca, als dort Nebel aufkam flog man stattdessen Touch and Go's ausgerechnet in Schwerin/Parchim in Norddeutschland.

Seit Anfang Februar war die erste Swiss-777 mit der Registration HB-JNA dann auf Europa-Strecken unterwegs, häufig zwischen Zürich und Frankfurt, aber auch nach Hannover oder Genf. Auch am Morgen des ersten Langstreckenflugs steht zunächst noch eine Kurzstrecke auf dem Programm. Deshalb findet der Abflug nach New York von Gate D39 im alten Zentralbereich des Flughafens Zürich statt und nicht wie sonst alle Swiss-Langstrecken vom Satellitenterminal E.

Neue Lounge-Flächen in Zürich

Damit verpasse ich leider meinen ersten regulären Besuch in der grandiosen neuen Lounge, die hier zeitgleich mit Ankunft der ersten 777 eröffnet hat. Swiss-Langstreckengäste in First und Business Class können im Terminal E die neuen Edel-Warteräume auf über 3.300 Quadratmetern Fläche nutzen.

Die hellen, großzügigen Räume bieten verschiedene Zonen zum Ausruhen, Arbeiten oder Essen vom Buffet mit Front Cooking, wo Speisen direkt vor den Augen der Gäste zubereitet werden. Highlight ist die geöffnete Außenterrasse mit grandiosem Blick über den Flughafen, der bei schönem Wetter zum Verweilen an frischer Luft einlädt.

(© Andreas Spaeth)
(© Andreas Spaeth)
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(© Andreas Spaeth)
Fotoserie: PaxEx Swiss Boeing 777-300ER

Als Vielflieger mit Senator-Status bzw. First Class-Gast kann man hier auch eins von zwei verfügbaren Hotelzimmern benutzen, wenn sie noch frei sind, inklusive ultra-bequemem Bett und Blick auf die Flugzeuge. Leider nur während der Lounge-Öffnungszeiten und nicht über Nacht. Oder sich an der Whiskey-Bar mit über 120 Sorten gütlich tun, darunter edlen Tropfen aus der Schweiz und sogar Indien. Im Sommer wird auch auf der Außenterrasse serviert, auf Wunsch sogar Schweizer Käsefondue.

Aber das bleiben alles Wunschträume heute, weil ich weder einen ausreichenden Vielfliegerstatus habe noch First Class fliege, es ist aber doch schön zu sehen, welche guten Ideen hier umgesetzt werden. Am Tag meines Abflugs aus Terminal D nutze ich nicht die dortige ältere Business Class-Lounge, üblicherweise für Passagiere von Europa-Abflügen. Stattdessen genieße ich am Gate die Feier zum Erstflug der 777 auf Langstrecke mit Live-Musik, Champagner und Häppchen.

Bereits bester Stimmung begebe ich mich relativ spät zum Einsteigen und finde schon keine Warteschlange mehr vor, doch dann erhalte ich unerwartete Willkommensgrüße von der TSA: Meine vorher noch oben weiße Bordkarte zieren plötzlich vier hässliche große "SSSS", das heißt ich bin nach dem bei USA-Flügen üblichen Zufallsprinzip zu einem erneuten Sicherheits-Check ausgewählt worden. Daher muss ich in einem seitlichen Verschlag am Gate darauf warten, erneut abgetastet zu werden, mein Handgepäck wird geöffnet und überprüft, aber alles läuft ruhig und effizient ab.

Faces of Swiss

Dann geht's endlich an Bord des von außen so auffällig mit den Porträts von 2.500 Swiss-Mitarbeitern beklebten Flugzeugs - dazu findet sich sogar in der Sitztasche eine eigene Plastikkarte mit Erklärungen zu den "Faces of Swiss". Sieben Meter hoch sind die größten zwölf Köpfe der für dieses Format ausgelosten Angestellten, die für die Beklebung insgesamt nötigen 450 Quadratmeter Folie wiegen gerade mal 50 Kilo.

PaxEx Swiss
Faces of Swiss, © Andreas Spaeth

Die Business Class-Kabine bietet 62 Sitze, zwei Reihen in einem separaten Abteil vor der Bordküche, elf Reihen dahinter. Mein Sitz ist 7K, in der ersten Reihe der hinteren Kabine am Fenster vorn rechts. Die Business Class ist ausgebucht, doch voll wirkt es trotzdem nicht.

Dafür sorgt die Kabinenaufteilung, die Reihen sind abwechselnd 1-2-2 bzw. 2-2-1 bestuhlt und optisch gut voneinander abgeschirmt. Was dazu führt, dass es zwölf Einzelsitze gibt, die A-Sitze in Reihen mit gerader Zahl (außer Reihe 6) sowie die K-Sitze in ungeraden Reihen. Diese thronartigen Plätze mit breiten Ablageflächen auf beiden Seiten sind vorab für Vielflieger mit HON- bzw. Senator-Status reserviert.

Nachfragen beim Check-in oder am Gate lohnt sich trotzdem, oft sind noch welche verfügbar, denn, so erklären mir Swiss-Mitarbeiter, viele Gäste wollen offenbar gar nicht so isoliert sitzen. Die Sitze sind eine Weiterentwicklung des bisherigen Swiss-Business-Produkts.

PaxEx Swiss
Kommoder Business-Class-Sitz, © Andreas Spaeth

Die seitlich ausklappbaren Tische sind jetzt wesentlich massiver und damit besser für das Arbeiten am Laptop geeignet. Die Sichtblenden bieten mehr Privatsphäre, auch wenn Swiss wesentlich weniger Einzelsitze offeriert als etwa Air France oder Singapore Airlines mit ihren 1-2-1-Konfigurationen in der 777.

Der verbesserte Business-Sitz von Swiss bietet auch mehr Ablageflächen, so ein Schuhfach in Bodennähe sowie ein Staufach mit Klappe unter dem 16-Zoll-Bildschirm, das auch Laptops oder Tablets aufnimmt. Einige Sitze etwa in der Mitte haben bedeutend mehr Stauraum als andere - bei Sitz 7K gibt es zusätzlich noch offene Ablagefläche oberhalb des Bildschirms.

Positiv fällt der extrem gut bemessene Fußraum auch in Bettposition auf, im Vergleich zum bisherigen Swiss-Produkt, besonders aber im Vergleich zum engen Fußkasten der Lufthansa-Business Class. Über das Swiss-eigene pneumatische Kissen im Sitz lässt sich auf Knopfdruck die Sitzfläche härter oder weicher machen.

Teures Surfen über den Wolken


Mit nur geringer Verspätung hebt Flug LX19 um kurz nach 13 Uhr Ortszeit in Zürich-Kloten ab. Neu an Bord ist neben Internet-Zugang, für den drei recht teure Datenpakete im Angebot sind von 20 MB für 9 Franken (8,20 €) bis 120 MB für 39 Franken (€ 35,70), auch die Möglichkeit, mit dem eigenen Handy zu telefonieren. Zumindest auf Tagflügen sowie während der Service-Zeiten auf Nachtflügen.

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Recht teure Datenpakete: Swiss Connect, © Andreas Spaeth

Doch auf dem Premierenflug ist kommunikationstechnisch der Wurm drin, Internet-Zugang klappt insgesamt nur wenige Minuten während des Acht-Stunden-Flugs, Telefon und SMS nur sporadisch und bei bestimmten Providern. Die Besatzung macht zur fehlenden Verbindung keinerlei Ansagen, weiß auf Nachfrage selbst nicht, wo das Problem liegt.

Mit dem neuen Panasonic Unterhaltungs- und Kommunikationssystem lassen sich je Passagier bis zu drei Bildschirme gleichzeitig nutzen: Der große Bildschirm vor einem, der kleine der Fernbedienung aus der Armlehne sowie der des eigenen Handys, der über das bordeigene WLAN auch z. B. den Flugverlauf anzeigt. Wirklich nutzbringend ist das nur begrenzt, allerdings angenehm, etwa einen Film auf dem Hauptschirm zu schauen und auf dem kleinen die Flugstrecke zu sehen.

Das Airshow-System bietet einige neue Features wie die Anzeige einiger Cockpit-Instrumente zu Nick- und Rollbewegungen, Eigengeschwindigkeit und Flugrichtung, allerdings ist es bei weitem nicht so interaktiv wie viele andere moderne Systeme.

Vier Menüoptionen in der Business Class

Der zuvorkommende Bordservice auf diesem Premierenflug ist ausgesprochen langsam, offenbar Anfangsschwierigkeiten. Die Vorspeise, Tafelspitz-Carpaccio, ist wunderschön angerichtet. Das Hauptgericht kommt erst zwei Stunden und 13 Minuten nach dem Start, viel zu spät, bis zum Dessert sind über drei Stunden verstrichen.

Aus den vier Menü-Optionen (u. a. Kalbsrahmragout, Cordon Bleu und Zander) wähle ich das vegetarisch-asiatische Malaysia Rendang, kreiert vom berühmten, weltweit ersten vegetarischen Restaurant Hiltl in Zürich. Sieht langweilig aus, schmeckt aber großartig. Gut auch die Käseauswahl auf einer kleinen Steinplatte und das Dessert, Marronikuchen mit Preiselbeerkompott.

PaxEx Swiss
Vier Menüoptionen in der Business Class, © Andreas Spaeth

Ein Schweizer Weißwein, der Spiezer Riesling-Sylvaner, ist die perfekte Menübegleitung. Mein Mittagsschlaf danach auf dem ausgefahrenen Bett ist so kommod, das fast zwei Stunden daraus werden. Das Unterhaltungsangebot ist gut sortiert, aber nicht annähernd so üppig wie etwa bei den großen Golf-Airlines. Der Snack vor der Landung fällt angenehm leicht aus - Nüsslisalat (schweizerisch für Feldsalat) sowie ein Fruchtsalat.

Fast auf die Minute pünktlich landet LX14 in New York und dockt am Terminal 4 an. Lange Schlangen Wartender stauen sich vor der Passkontrolle, doch für Ankömmlinge aus Visa-freien Ländern wie Deutschland, die nicht zum ersten Mal ihr ESTA nutzen, bieten sich die neuen Kioske an, die die Einreise sehr beschleunigen, auch bei Warteschlangen vor den Schaltern.

Bewertung

Die Boeing 777-300ER bietet vor allem Business Class-Kunden von Swiss ein deutlich verbessertes Produkt, das neben der Austrian Airlines-Business Class das Beste im Lufthansa-Konzern sein dürfte. Wenn denn der Bordservice Normaltempo erreicht und das Internet funktioniert ist dies ein sehr solides Angebot.


Flugreport

Airline: Swiss
Flugzeugtyp: Boeing 777-300ER
Kennzeichen: HB-JNA
Kabine: Business Class
Datum: 21. Februar 2016
Route: Zürich-New York JFK
Flug: LX14

Andreas Spaeth


Andreas Spaeth fliegt. Viel. Auf PaxEx.de schreibt Spaeth, einer der führenden Luftfahrtjournalisten in Europa, über seine Erlebnisse als Passagier rund um den Globus.

Auf Twitter ist der Autor als @SpaethFlies unterwegs.

© Andreas Spaeth | Abb.: Andreas Spaeth | 01.03.2016 18:20


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