TAP Air Portugal startet größte Kabinen-Erneuerung

LISSABON - Die Hauptverwaltung von TAP Air Portugal am Flughafen Lissabon stammt aus den 1960er Jahren, und das ist den alten Gebäuden deutlich anzusehen. In den Wartungshallen brennt gelbliches Licht und sorgt für eine eher schummrige Atmosphäre.

Doch bei der traditionsreichen Gesellschaft, die im September ihren 70. Geburtstag feierte, herrscht Aufbruchstimmung.


Seit der erfolgreichen Privatisierung 2015, bei der ein Konsortium um David Neeleman, Gründer von JetBlue in den USA und Azul in Brasilien, zunächst 61% der Anteile vom portugiesischen Staat übernahm, was nach Neuwahlen Anfang 2016 wieder auf 45% reduziert wurde, gibt es sowohl neues Kapital als auch frische Expertise, was TAP auf die nächste Stufe bringen soll.

Beim Streckennetz, mit noch mehr Zielen in Brasilien (bisher 67 Flüge pro Woche) sowie in den USA (wo neu bereits Boston und New York-JFK angeflogen werden). Und mit erneuerten Kabinen in bestehenden Flugzeugen sowie umfangreichen Neubestellungen.

Greifbar wird das derzeit bereits in Lissabon, wo ständig weitere Flugzeuge zunächst der Airbus A319-Flotte, von denen TAP 21 besitzt, innen runderneuert werden, derzeit fliegen schon vier mit neuer Kabine. Der Schritt aus der düsteren Halle in die hell erleuchtete Kabine der CS-TTM, einer immerhin 17 Jahre alten A319 (das Durchschnittsalter der TAP-A319 liegt bei 17,4 Jahren) ist ein Schritt von der Vergangenheit in die Zukunft.

"Das hier ist die größte Produkt-Erneuerungsprogramm in der Geschichte von TAP", sagt Produktmanager Joel Fragata im Gespräch mit PaxEx.de, "es geht vor allem um Effizienzgewinne, um im heutigen Markt mithalten zu können." Will sagen, TAP muss in Economy Class Angebot und Preise der Billigflieger aufgreifen, die in Portugal stark sind.


Sie passt nun ihr Produkt an, nach dem sie bereits einen "Discount"-Tarif eingeführt hat, der nur Handgepäck beinhaltet. Und gleichzeitig als Netzwerk-Gesellschaft auch Business-Reisenden, gerade Umsteigern auf Langstrecken in Lissabon, ein angemessenes Produkt bieten.

Das Tarifniveau anhand eines Beispielflugs Hamburg-Lissabon variiert dabei bei einer Online Abfrage zwischen 93 Euro zum günstigsten und 340 Euro zum teuersten Tarif. Daher setzt TAP jetzt in ihren Flugzeugen auf stärkere Differenzierung auch durch hinten engere Bestuhlung, die allerdings durch die brandneuen Slimline-Sitze des deutschen Anbieters Recaro weniger störend ausfällt als bei herkömmlichen Sitzen.

"Wir erreichen mit der Umrüstung gleich mehrere Ziele - mehr Sitze an Bord unterzubringen, das Gesamtgewicht des Flugzeugs um 700 Kilo und damit den Treibstoffverbrauch zu senken, und trotzdem vielen Kunden mehr Komfort zu bieten", sagt Joel Fragata. In der Bilanz sieht das so aus, dass das Angebot in der A319 von 132 auf 144 Sitze steigt, in der A320 von 162 auf 174 und in der A321 von 200 auf 216 Sitze.

Dafür sind nicht nur die physisch dünneren Sitzlehnen verantwortlich, sondern auch das Entfernen der Galley 2 vorn neben der Tür 1R. Und der weitgehende Verzicht auf jeglichen Komfort in Economy Class - nach den Sitzen an den Notausstiegen über den Tragflächen beginnen die Reihen mit grün eingefassten Sitzpolstern.


Und dort geht es mit nur 28 Zoll (71,1cm) Abstand extrem eng zu, TAP macht es sogar noch unbequemer als Lufthansa in den hinteren Reihen ihrer A320neo: Bei den Portugiesen lassen sich die Sitzlehnen hier überhaupt nicht mehr zurückklappen, nicht einmal einige Millimeter wie bei Lufthansa. Im Airline-Speak heißt das vornehmer "Pre-Reclined", also vorab zurückgelehnt, was natürlich in der Praxis bei diesem Minimal-Abstand Unsinn ist.

"Auf diese Weise wird ihr persönlicher Freiraum nicht eingeschränkt", versucht Fragata noch eine positive Erklärung, doch von Freiraum kann zumindest bei größer gewachsenen Menschen ohnehin kaum die Rede sein. Wer hier fliegt muss leiden, sofern er über 1,75 Meter groß ist. Und bei TAP fliegt die A320-Familie durchaus auf langen Strecken, etwa von Lissabon nach Accra (fünfeinhalb Stunden) oder nach Helsinki (4:40 Stunden).


Die gesamte Flotte von 41 Flugzeugen der A320-Familie soll bis Juli 2017 soweit sein. Insgesamt sind bei Recaro 6.600 Sitze der Typen BL3530 für Business und SL3510 für Economy Class bestellt worden, die Investitionen belaufen sich auf insgesamt 70 Millionen Euro.

Dafür erhalten die TAP-Kabinen ein sehr attraktives Ambiente, inklusive eines neuen, leichteren Designer-Teppichs in grün-schwarz, alles hat eine spezifisch portugiesische Note. Die Gestaltung stammt von der lokalen Firma Almadesign, die Sitzbezüge stellt Karmann Ghia de Portugal her, und zwar aus Leder vom ebenfalls portugiesischen Lieferanten Couro Azul.

"Das Leder wird durch spezielle Behandlung von Schwermetallen befreit, wir nutzen das als eine der ersten Airlines", erklärt Joel Fragata. Die vorderen zehn Sitzreihen der A319 sind mit den Business Class-Sitzen, erkennbar an der roten Einfassung, ausgestattet, der Mittelsitz bleibt frei, dort wird ein Tischchen aufgesteckt.

Hier beträgt der Abstand großzügige 33 Zoll (83,8cm), jede Dreier-Bank verfügt über eine Steckdose für Strom (110V) sowie einen USB-Port, auch das selten zu finden auf Kurz- und Mittelstrecken. TAP plant, einige der üppiger bestuhlten Reihen für eine neue "Economy Plus"-Zwischenklasse zu nutzen, die 2017 auf allen Strecken eingeführt wird.


Die beste Option für Reisende in Economy ist definitiv die jeweils erste "grüne" Reihe - in der A319 ist es Reihe 11. Die verfügt über üppige 33 Zoll Abstand - um die bis zu vier Zoll zurückklappbare Rückenlehne der letzten Business-Reihe auszugleichen.

A330-900neo Ende 2017/Anfang 2018 bei TAP

Was die TAP Langstrecken-Kabinen betrifft ist die Situation komplex. Die beiden neuesten A330-200, Kennzeichen CS-TOS und CS-TOT, verfügen bereits über sieben Sitzreihen im vorderen Bereich der Economy-Kabine mit jeweils 34 Zoll Abstand, die künftig als "Economy Plus" verkauft werden sollen. Derzeit fliegen sie ausschließlich die neuen Routen nach New York-JFK und Boston.

Ab Januar werden dann sieben von derzeit 16 A330-200 der TAP umgerüstet, in Business Class erhalten sie erstmals Fullflat-Sitze, ein neueres Modell des Thomson Vantage-Sitzes, bis Oktober 2017 soll das abgeschlossen sein. Bisher fliegt TAP noch mit leicht geneigten Business-Betten, diese "angled lieflat seats" sind bei Kunden unbeliebt und nicht mehr zeitgemäß.


Erst 2019, so verspricht die Airline, wird es nur noch "Fullflat" geben. Wirklich erneuert wird das TAP-Langstreckenprodukt nämlich erst, wenn die neu bestellten Flugzeuge eintreffen. TAP ist Launch Customer für die A330-900neo, die ersten von 14 georderten kommen Ende 2017/Anfang 2018, ebenfalls sechs neue A330-300.

Ein Jahr später treffen dann auch die ersten von insgesamt 39 A320neo/A321neo ein. Darunter auch einige der Langstreckenversion A321LR, mit denen TAP einige der kürzeren Brasilien-Strecken bedienen will. "Darin wird es dann in Business Class auch Fullflat-Sitze geben", verspricht Joel Fragata. So oder so - langweilig jedenfalls wird es bei TAP in den nächsten Jahren nicht sein.