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Mit der fliegenden Schildkröte von Japan nach Hawaii


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TOKIO - Der Erstflug eines Airbus A380 bei einem neuen Betreiber war immer ein Ereignis. Insgesamt 14 Mal gab es dies seit 2007, am 24. Mai 2019 fand es in Tokio-Narita definitiv zum letzten Mal statt. Denn Airbus hat im Februar die Einstellung des A380-Programms bis 2021 angekündigt. Unser Autor Andreas Spaeth ist mitgeflogen.

Außer einigen weiteren Auslieferungen an Emirates bekommt nur die japanische All Nippon Airways (ANA) bis 2021 noch eine einzige, ihre dritte und letzte A380 von Airbus.

All Nippon Airways Airbus A380
All Nippon Airways Airbus A380, © Airbus

Zwei A380 hat ANA als erster und einziger Betreiber aus Japan bereits im Frühjahr 2019 erhalten – und damit jetzt Flüge ausschließlich auf der Strecke zwischen Tokio und Hawaii aufgenommen. Sie gehört zu den am dichtesten beflogenen Langstrecken der Welt, nicht weniger als sieben Airlines konkurrieren zwischen Japan und Hawaii.

Zunächst fliegt ANA dreimal wöchentlich je Richtung mit der A380, ab dem 1. Juli wird das mit Einsatzbeginn für das zweite Flugzeug auf zehn wöchentliche Frequenzen je Richtung gesteigert.

Anfang 2020 soll die letzte A380 zur Flotte stoßen. Die Übernahme aller ANA-Frequenzen zwischen Tokio und Hawaii durch drei A380 ist möglich, weil die Strecke vergleichsweise kurz ist und ein Flugzeug ausreicht, einen Umlauf innerhalb von 24 Stunden zu fliegen.

Der Weg in östlicher Richtung von Tokio nach Hawaii dauert etwa sieben Stunden, der Rückweg westwärts rund acht Stunden. ANA hat sich mehr als jeder andere A380-Betreiber um ein spezielles Branding für ihre A380 bemüht.

Aus einem öffentlichen Designwettbewerb ging das Konzept "Flying Honu" als Gewinner hervor, das als Leitmotiv die bedrohten Grünen Meeresschildkröten (Honu auf Hawaiianisch) nutzt. Alle drei Flugzeuge sind daher über den ganzen Rumpf mit Schildkröten-Motiven bemalt und unterscheiden sich nur in den Grundfarben Blau, Grün und Orange.

All Nippon Airways A380
All Nippon Airways A380

Am Gate 45 in Narita steht an diesem späten Nachmittag die erste A380 in blauem Grundton bereit für den Erstflug. Es ist erfreulich zu sehen, wie auch noch über ein Jahrzehnt nach der Premiere im Passagierverkehr 2007 die A380 für Aufsehen und Begeisterung beim Publikum sorgt.

Der Premierenflug ist lange ausgebucht, viele Fans kommen frühzeitig und fotografieren sich am Gate vor dem hinter Panoramascheiben stehenden Flugzeug.

Während nahe des Gates eine Party mit tanzenden Schildkrötenfiguren und vielen Reden auf Japanisch steigt, nutze ich die Zeit für einen kurzen Blick in die Lounge zwei Stockwerke tiefer.

Sie hat leider keine Fenster, Zeit für eine leckere Ramen-Nudelsuppe, frisch gekocht an der Nudelbar, oder sogar ein wenig Sushi, frisch bereitet an der Sushi-Bar (streng limitiert auf zwei Nigiri pro Person mit nur hauchdünner Fischauflage!) habe ich leider auch nicht.

Aber ich lasse mir an der Asahi-Bierzapfanlage mit Selbstbedienung, die automatisch das gekühlte Glas zur Befüllung neigt, ein schnelles Bier munden und greife mir ein paar leckere Reisstückchen mit Fischfüllung vom Büffet.

Das Boarding am Gate 45 hat unterdessen begonnen und selbst die 56 Business Class-Passagiere und vermutlich einige hier eigentlich nicht hingehörende andere Reisende stehen in einer langen Schlange an.

Es herrscht Volksfeststimmung, jeder knipst vor Betreten der Fluggastbrücken durch die Scheiben ein Foto der Schildkröten-A380. Ich steige nach rechts durch die Brücke bergauf, um direkt im Oberdeck an Bord zu gehen.

All Nippon Airways A380
All Nippon Airways A380, © Andreas Spaeth

Und mit Betreten des Flugzeugs ändert sich das Ambiente. Wo außen schon dank der Bemalung Fröhlichkeit herrscht, schließlich ist dies nahezu eine reine Urlauberstrecke, wird dies innen überhaupt nicht aufgenommen – die Kabine kommt aseptisch in schwarz-weiß daher, ein wenig Wolkenhimmelmuster in orange und blau an den Trennwänden reißt das nicht raus. Seltsam und nicht stimmig, als ob man sich drinnen nicht mehr das getraut hätte, was man draußen macht.

Ich wollte unbedingt einen Fensterplatz, doch als ich endlich mein Ticket hatte, konnte ich online nur mit Glück den letzten der weniger optimalen Fenstersitze ergattern - immerhin.

Die Anordnung im Oberdeck der A380, wo sich vorn acht First Class-Abteile befinden und dahinter die langgestreckte Business-Kabine, ist 1-2-1. Die Business-Sitze des Typs Safran Skylounge, die ANA auch identisch in ihren Boeing 787-9 und 787-10 nutzt, sind gegeneinander versetzt.

Das heißt, auf den Fensterplätzen befindet sich jeweils abwechselnd ein Sitz oder ein Tisch direkt am Fenster, dort wo in Reihen mit geraden Zahlen die Sitze am Gang stehen herrscht wesentlich weniger Privatsphäre und man kann oft nur unter Verrenkungen aus dem Fenster schauen. Trotzdem sitze ich auf 8H immerhin in Fensternähe.

In der Mitte sind sich beide Sitze jeweils entweder ganz nahe (in ungeraden Reihen) oder weit voneinander entfernt und abgeschirmt (gerade Reihen). Die zweifellos besten Einzelsitze in Business Class sind die in der ersten Reihe hinter der Trennwand: 5A und 5K, mit viel Extra-Ablageflächen.

All Nippon Airways A380
All Nippon Airways A380, © Andreas Spaeth
Da ich meinen Sitzplatz vorher ausgewählt hatte, erhielt ich 24 Stunden vor Abflug per E-mail automatisch meine Bordkarte. Leider allerdings lässt die sich nicht auf dem Smartphone speichern, aber ein Screenshot des QR-Codes tut’s auch zum Einsteigen.

Gemessen an früheren Erstflügen, wo von Anfang bis Ende Party war, ist es heute vergleichsweise ruhig. Wer nicht das Glück hat, im Oberdeck der A380 direkt am Fenster zu sitzen, kann leider nicht auf die großen Ablagefächer darunter zugreifen.

Ohne die ist die Ablagefläche deutlich begrenzt, im Wesentlichen auf das fest eingebaute Tischchen beschränkt. Der Sitz ist funktional und weitgehend selbsterklärend, nur das Ausziehen des Tisches will gelernt sein, dazu muss man im eingefahrenen Zustand eine Art Druckschalter unter der Platte betätigen.

Die Ausstattung ist sehr kommod mit 20 Zoll Sitzbreite und einer Bettlänge im voll ausgefahrenen Zustand von 77 Zoll (1,95 Meter), der Bildschirm mit 18,5 Zoll Diagonale ist üppig.

Das Beste am Bordprogramm sind nicht die 40 Filme, eine eher schmale Auswahl, oder die Live-TV-Programme (u. a. CNN International) in guter Streaming-Qualität, sondern die gestochen scharfen Bilder die die Bordkameras liefern, ob am Heck, nach vorn oder nach unten gerichtet. Großes Kino!

Und die hervorragende interaktive digitale Flugkarte, auch wenn dieser Flug nur über endlosen Ozean führt. Extrem schnelles WLAN gibt es an Bord gegen Gebühr ab 6,95 US Dollar (30 Minuten), drei Stunden kosten 16,95 und der ganze Flug 21,95 US Dollar.

Airline:
ANA All Nippon Airways
Flugzeugtyp:
Airbus A380
Kabine:
Business Class
Datum:
24. Mai 2019
Route:
Tokio-Narita nach Honolulu
Flug:
NH184
Vor dem Start reicht ANA in Business Class spanischen Cava aus Plastiktrinkbechern. Ich dachte, dass sei eine Unsitte von US-Airlines. Schade, dass die sonst so qualitätsbewussten Japaner das jetzt nachmachen.

Viel Plastikmüll


Und Plastik ist überhaupt ein sehr unrühmliches Thema bei ANA. Kaum eine andere Airline belastet die Umwelt so sehr mit Bergen von unnützem Plastik wie ANA. Die Hausschuhe, das Bettzeug – und die ohnehin aus transparentem Kunststoff bestehende (hübsche) Waschtasche sogar doppelt! – sind in Plastik verpackt.

Neben meinem Sitz liegt schon vor dem Start ein hässlicher Haufen nutzlosen Plastiks am Boden. Sich für bedrohte Meeresschildkröten einzusetzen wie ANA ist gut, aber gleichzeitig solche absurden Müllberge zu produzieren, ist inkonsequent.

Planmäßige Startzeit war 20.10 Uhr Ortszeit, um 20.38 Uhr heben wir tatsächlich ab, einigermaßen im Rahmen für einen Erstflug mit viel Unruhe und auf einem Großflughafen wie Narita.

Aber schon jetzt fällt auf, dass die Crew sich noch nicht heimisch fühlt: Entgegen allen Sicherheitsempfehlungen bei Starts im Dunklen bleibt die Kabinenbeleuchtung taghell.

Nun beginnt das große Warten auf den Service, der sich leider auch dem Tempo von Schildkröten anpasst. Ich nutze das erstmal, um mich umzuschauen. Hinten führt bei ANA erstmals unter allen A380-Betreibern eine enge, über Eck gestaltete Treppe nach unten zum Hauptdeck statt der üblichen Wendeltreppe.

All Nippon Airways A380
All Nippon Airways A380, © Andreas Spaeth

Das spart Platz und beschert der Airline je Deck bis zu zwei zusätzliche Sitzreihen. Und unten stehe ich vor dem sogenannten "Multifunktionsraum". Da der von außen und innen zunächst aussieht wie eine Flugzeugtoilette steht mehrfach geschrieben "This is not a lavatory".

Dazu gibt es putzige Piktogramme von Schildkröten, eine schminkt sich, eine saugt an der Nuckelflasche, eine wird gewickelt und die letzte auf einen Bügel gehängt. Das wirkt ein wenig bemüht lustig. Tatsächlich ist der Raum etwa für die jungen Eltern, die mit ihrem Baby hinter mir in Business Class sitzen, ein willkommener Ort, um ihr Kind zu wickeln und sich mit ihm die Beine zu vertreten.

Zurück an meinem Platz werden 55 Minuten nach dem Start die Getränkebestellungen aufgenommen, viel zu spät auf einem Siebenstunden-Nachtflug.

Leider hat sich ANA eine sehr ineffiziente, zeitintensive Methode ausgedacht, Getränke zu servieren: jede Flasche wird einzeln aus der Galley zu jedem Platz getragen, das Glas eingegossen und die Flasche wieder zurückgebracht ehe der nächste Passagier dran ist.

So erreicht mich der bestellte Sake und ein Wasser genau eine Stunde und 14 Minuten nach dem Abheben, eine gefühlte Ewigkeit, da hilft auch die äußerst freundlich Art der Kabinenmitarbeiter nur begrenzt.

Dazu gibt es wenig aufregende "Amuse", wie sie die Speisekarte nennt. Camembert mit Orangenkonfitüre? OK, besser ist da gebackener Tofu mit Lauchsauce.

Für ein Nachfüllen der Gläser gehe ich dann einfach selbst in die Galley und bediene mich, das bemerkt dort keiner, es sind alle zu beschäftigt. Zum Glück sitze ich noch recht weit vorn in der Business-Kabine, so kommt mein Essen immerhin knapp zwei Stunden nach dem Start, Kollegen ganz hinten warten drei Stunden!

Immerhin kommt das Essen auf einem Tablett und alles auf einmal, wieder per Hand angetragen, nicht vom Wagen. Das wirkt zwar exklusiver, dauert aber selbst bei eingespielten Crews und kleineren Kabinen oft zu lang.

All Nippon Airways A380
All Nippon Airways A380, © Andreas Spaeth

Ich habe bereits zuvor online mein Menü unter den wenig detaillierten Optionen "westlich" oder "japanisch" ausgewählt und mich für das letztere entschieden. Das Menü sieht appetitlich aus: japanische Häppchen – Spinat aus Okinawa mit Bohnenpaste, Seebrasse mit Klettenwurzel, Garnelen-Sellerie-Spieß, Feuerbohnen mit Sirup – klingt übersetzt für westliche Leser vielleicht seltsam, schmeckt aber überwiegend hervorragend.

Von den Rostbeef-Röllchen in der hübschen Porzellanschale hätte ich gern mehr gehabt. Die heiße Miso-Suppe ist sehr willkommen. Dem Hautgericht (gegrillter Butterfisch mit Misopaste und gekochtem Reis) fehlt leider jede Würzung, und ich will jetzt nicht ausprobieren, wie lange es dauert, wenn ich um Gewürz bitten würde.

Der Nachtisch, ein paar Früchte, ein Würfel Agar-Pflanzengelatine und eine Kugel süße Bohnenpaste, ist nicht so meins. Ab und zu schaue ich doch ein wenig neidisch zu meinen japanischen Mitreisenden, die sich ein westliches Essen mit Steak schmecken lassen.

Insgesamt fällt die Qualität der Mahlzeiten hier leicht ab gegenüber anderen Langstrecken bei ANA, vermutlich eben weil es eine Urlauber-Rennstrecke ist und man hier nicht um Geschäftsreisende buhlen muss.

Ich versuche nun, ein paar Stunden zu schlafen. Das Bett ist zwar schmal, aber ich kann auch meine 1,88 Meter einigermaßen ausstrecken. Sehr angenehm ist die neue, luftgefüllte Matratzenauflage, die auf dem Bett ausgerollt wird, auch die dünne, angenehm kühlende Decke und das kuschlige Kissen erhöhen den Komfort.

Während die meisten Japaner bis kurz vor der Landung schlafen wünsche ich mir nach dem Aufwachen wie viele andere ein kleines Frühstück. Gibt es aber nicht, ist nicht vorgesehen.

Man kann nur aus einigen Snacks auswählen, die den ganzen Flug über angeboten werden. Das Sandwich aus dem gleichnamigen Set (zu dem auch Joghurt und ein paar Fruchtstücke gehören) ist nicht sehr überzeugend, innen kaltes Fladenbrot mit Hähnchenaufschnitt und Cheddar belegt, lecker ist etwas anderes.

Aber immerhin lande ich nach knapp sieben Stunden Flug nicht mit leerem Magen in Honolulu, und das pünktlich. Dort werden wir mit großem Bahnhof als erster A380-Linienflug willkommen geheißen. Es sind lange Wege bis zur (recht zügigen) Einreise und zur Gepäckausgabe, dafür erhalten meine Mitreisenden mit aufgegebenen Koffern diese dort quasi bei Ankunft zügig zurück.

Bewertung

Die A380 ist zu Recht weiterhin ein extrem beliebtes Flugzeug, so leise fliegt man sonst nirgends, Japan-Hawaii ist eine für die A380 perfekt geeignete Route.

Dieser und auch andere der frühen ANA-A380-Flüge liefen beim Service-Ablauf überhaupt nicht rund, hier sollte ANA dringend ihr Prozedere ändern und etwa vom Wagen statt einzeln servieren.

Am Ende eines Nachtflugs gehört ein kleines Frühstück zumindest als Option dazu. Es wäre auch wünschenswert, in den Premium-Klassen zumindest für 30 Minuten oder eine Stunde Gratis-WLAN anzubieten.
© Andreas Spaeth | Abb.: Airbus, aero.de | 23.06.2019 09:16


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